MPC Wandertage 2016 im Harz
Das Bergwerk ruft – und das Bier schmeckt
Der Hahn im Klee, der Bock auf der Wiese – schöner kann Natur sich nicht in Worten ausdrücken. Auch wenn Geflügel und Wild nicht überall touristenverlässlich zur Stelle sind (außer gebraten und gesotten): In Hahnenklee-Bockswiese, einem idyllisch abseits gelegenen Stadtteil des Fachwerk-Juwels Goslar, gehören sie sozusagen zum Programm. Anlass genug für Horst-Dieter Grosse, den Wandertage-Organisator des MPC, diesmal den Harz als Ziel für seine leichtfüßige Truppe zu wählen. Der Hahnenkleer Hof – warum schreibt er sich eigentlich nicht mit drei e? – nahm sie gastfreundlich in Empfang, jedes Zimmer mit Balkon, darunter ein veritabler Park mit hohen Bäumen, und im Speisesaal jeden Abend eine reich gedeckte Tafel für die ermüdeten Gäste. Alles bestens also, wenn da nicht der Fakt wäre, dass Norddeutschlands Vorzeige-Gebirge jede herantreibende Regenwolke begierig willkommen heißt. So gehört Nässe zum Harzer Wanderglück so zuverlässig wie Harzer Käse zu jeder dortigen kalten Mahlzeit.
Dass Marketing oberste Tugend des Tourismus ist, bewies der erste Wandertag: Er war dem Liebesbankweg gewidmet, der ersten zertifizierten Wanderstrecke im Harz, und der führte die MPCler sieben Kilometer weit rings um Hahnenklee. Für die Verliebten unter ihnen säumen ihn 25 Bänke unterschiedlichen Designs, die allesamt die Stationen erfüllter Beziehungskultur verkörpern, entschlüsselt durch erklärende Tafeln daneben. So strebte man, kurzweilig unterhalten, der Mittagsrast am Oberen Grumbacher Teich entgegen, einem Wasserreservoir in einer Kette ähnlicher Seen, die der kunstvollen Be- und Entwässerungswirtschaft des Bergbaus dieser Gegend zu verdanken sind. Das Café Egerland hatte seine gute Stube für den MPC geöffnet, und da ließ man es sich freudig schmecken.
Der anschließende kürzere Weg führte die Wanderer zurück zur größten Sehenswürdigkeit Hahnenklees, der Stabkirche, die hoch über dem Ort ihren Platz gefunden hat. Das geschah im Jahr 1907, als sie – als getreuer Nachbau eines der berühmten nur aus Holz bestehenden Gotteshäuser in Norwegen – für die evangelischen Christen der damals noch Bockswiese-Hahnenklee genannten Gemeinde errichtet wurde. Auch innen begeistert sie mit hölzerner Pracht, die eine kundige Führerin den Wanderern detailverliebt vorstellte. Die aus akustischen Gründen versteckt angeordnete Orgel und das Glockenspiel der Stabkirche – mit seinen 49 Glocken eines der 43 echten Carillons in Deutschland (die jeweils mindestens 23 Glocken haben müssen) – konnten sie zwar nicht in Aktion bewundern, doch es blieb die Gewissheit, etwas Einmaliges angeschaut zu haben.
Kultur war angesagt am zweiten Wandertag, und die lag nicht weit entfernt: Goslar ist allemal einen Tag, wenn nicht eine Reise wert. Per Bus ging es ins Herz der Stadt und dort gleich zu ihrer wahrlich größten Sehenswürdigkeit, der Kaiserpfalz aus dem 11. Jahrhundert. Ihre Dimensionen beeindruckten die Wanderer, während die schwülstigen Historien-Malereien aus der Gründerzeit, die den Sommersaal der Pfalz zu einem Geschichts-Bilderbuch machen, heute eher mit einem Lächeln betrachtet werden. Der für den MPC engagierte Stadtführer nahm sie allerdings berufsloyal recht ernst. Er geleitete die Truppe anschließend durch viele Reihen von entzückenden Fachwerkbauten, die als Weltkulturerbe glänzen, überquerte mit seinem Gefolge das Bächlein Gose, das der Stadt ihren Namen gab, und zeigte ihm am Marktplatz ein weiteres Glockenspiel – kein Carillon! – mit einem Figurenumgang zur Bergbaugeschichte, der sich um zwölf Uhr mittags in Bewegung setzte, zur Freude einer großen Schar von Zuschauern. Der Hunger, aber auch beginnender Harzer Regen trieb die Wanderer ins nahe Brauhaus, wo sie im Trockenen, aber keineswegs mit trockenen Kehlen speisten.
Eine kleine Busfahrt führte dann zum zweiten Goslarer Highlight, dem Weltkulturerbe Rammelsberg. Er, oder besser das Vorkommen von Gold, Silber, Kupfer und Blei in seinem Inneren, war jahrhundertelang der Garant für den Reichtum der Stadt. Seit 1988 ist der Abbau stillgelegt, doch als Besucherbergwerk zieht das Ensemble seither viele Tausende von Wissbegierigen an. Die MPC-Wanderer wagten sich, helmbewehrt und mit sachkundiger Führung, in den Roeder-Stollen: Auf feuchtem Untergrund und mit zeitweise eingezogenen Köpfen arbeiteten sie sich vor bis zu staunenswert großen unterirdischen Mühlrädern, die Pumpen zum Entwässern des Bergwerks antrieben. Weil es doch etwas gruselig war unter Tage, freute man sich aufs Wiedersehen mit der inzwischen wieder regenfreien Harzer Bergluft.
Nicht etwa Hartz Vier, sondern Harz Bier war das Motto des dritten Tags. Es ging, eines störenden Schauers nicht achtend, mit Wanderstiefeln gen Süden, zur Bergakademie-Stadt Clausthal-Zellerfeld. Im zweiten Teil des Doppelnamens wartete die Biermünze auf die leicht angefeuchteten Fußläufer, mit deftigem Essen und einem selbst gebrauten Münzbier. Dessen Ursprung, eine winzige Privatbrauerei, wurde anschließend von ihrem Chef wortreich vorgestellt. Dann brach man auf zur letzten Anstrengung dieser Wandertage, einem fast einstündigen „Bummel“ von Zellerfeld nach Clausthal. Dort wartete auf dem Marktplatz ein blaues Wunder: die Bergleute-Barockkirche Zum Heiligen Geist – ein riesiger Holzbau aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs, sozusagen die Harzer Version der Stabkirche, freilich in ganz anderer Fasson. Die Wanderer erfuhren, als wie empfindlich sich dieses Unikat erweist und welch hohe Unterhaltskosten es erfordert. Doch die dürften sich lohnen: Auch der Innenraum mit seinen zwei Emporen, dem Altar und der Kanzel – beide schon zu Baubeginn von einem Thüringer Schnitzkünstler geschaffen – und dem symbolreichen Kronleuchter gab genug Anlass zum Staunen. Nachhaltig beeindruckt fuhren die Wanderer nach Hahnenklee zurück.
Und dann: der Abend der Abende, die Verleihung der Goldenen Sohle des MPC, jenes Wanderpreises im doppelten Sinn, den sich sein Träger für ein Jahr ins Vertiko stellen darf. Anke Breitsprecher war dieses Glück im Vorjahr zuteil, und jetzt wurde die Sohle von Horst-Dieter Grosse – nach Eingebung durch hilfsbereite Harzer Wassernixen – einer anderen Dame überreicht. Hedwig von Bülow hatte sie längst verdient, war sie doch jahrelang an der Seite ihres verstorbenen Mannes Gunter – Sohlenträger 1995 – bei den Wandertagen dabei. Unter anhaltendem Applaus bedankte sie sich und spendierte der festlich gekleideten Schar eine Runde Schierker Feuerstein, des kräuterhaltigen Magen- und Seelentrösters der Region. So endeten auch diese Wandertage in wohliger Zufriedenheit und mit der Gewissheit, im nächsten Jahr – und hoffentlich mit neu gewonnenen weiteren Teilnehmern – dabei zu sein, wo auch immer.
Dr. Gerold Lingnau