Von Störchen, automobilen Stars und einem fast vergessenen Silberpfeil – Elsässische Gastfreundschaft begeistert bei der 15. MPC Classic-Tour 2019

Einzigartige Ein- und Ausblicke

Unscheinbar steht er in der Ecke, die Rinde zerfurcht, die Haufläche tief eingedrückt. Tausende von Hammerschläge haben auf dem Holzklotz ihre Spuren hinterlassen. Brennholz für den Kamin, ein alter Hocker? Mitnichten. Tatsächlich, so erklären Hubert Haberbusch, weltweit erster Maitre D’Art in der Kategorie „Restaurateur de Véhicules Anciens“ und sein Schüler Isaak Rensing, ist das schwere Stück Eiche eines seiner wichtigsten Hilfsmittel bei der Formung von Stahlblechen, aus denen sie automobile Kostbarkeiten formen. Kotflügel, Türen, Motorhauben und andere Karosserieteile, für die es im Handel schon lange keinen Ersatz mehr gibt. Auch die Alukarosserie des Bugatti, der gleich nebenan auf der Hebebühne steht, hat hier ihre Form angenommen.

Die 33 Teilnehmer der 15. MPC Classic-Tour stehen in der Werkstatt am Rande von Straßburg und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Längst ist ihnen klar, dass Haberbusch und seine „Equipe“ keine einfachen Karosseriebauer sind, die verunglückte Autos wieder zurechtdengeln und aufpolieren. In dem unscheinbaren Atelier sind vielmehr Kunsthandwerker, ach was, Blechkünstler am Werk, von denen es auf der Welt nur noch ganz wenige gibt. Die Auto­enthusiasten und Oldtimer-Liebhaber wie auch ihre Beifahrer sind sofort in den Bann gezogen. Die herzliche Gastfreundschaft tut ein Übriges.

Mit großer Bescheidenheit erläutern Haberbusch und sein Schüler, wie sie ihre Aufgabe und Arbeit verstehen – und was ihre Kunden erwarten dürfen: Präzision bis hin zur Detailversessenheit, Hingabe und tiefes Verständnis für alte Autos und ihre Historie. Schon dieser Besuch am ersten Fahrtag der Tour macht klar: Jürgen Book lässt uns bei seinen Glasurit-Partnern Eindrücke zuteil werden, die sich auf Jahrzehnte ins Gedächtnis eingraben werden.

Umso schwerer fällt es allen, nach einem herzhaften Dejeuner den Besuch zu beenden und sich auf die Weiterfahrt zu machen, über die elsässische Weinstraße durch pittoreske Ortschaften und hügelige Landschaften, durch die erst zwei Tage zuvor die Teilnehmer der Tour de France gerauscht waren. Rund 100 Kilometer und knapp zwei Stunden später kommt Eguisheim in Sicht. Die kleine französische Gemeinde mit ihren bunten, blumengeschmückten Fachwerkhäusern ist längst kein Geheimtipp mehr. Auch die Storchenpopulation ist beachtlich. Den Abend bei elsässischer Koch- und Kellerkunst bereichern Anja und Jürgen Book noch mit einem heiteren Quiz, dessen Finale für den letzten Abend geplant ist. Dem Sieger winkt ein Buch über die Collection Schlumpf in Mulhouse, das der Kurator handsigniert hat.

Der Kurator heißt Richard Keller, ist, na klar, ein langjähriger Freund und beruflicher Partner von Jürgen Book und hat ausgerechnet seinen letzten Arbeitstag in diesem Museum den Besuchern aus Deutschland gewidmet. Diese dürfen mit ihren eigenen automobilen Pretiosen durch einen Hintereingang auf das Gelände der ehemaligen Tuchfabrik rollen, deren Gebäude heute das wahrscheinlich größte Automuseum der Welt, die Collection Schlumpf, beherbergen: Über 400 Prachtstücke der Automobilgeschichte, Sportwagen und Luxuslimousinen von Bugatti aus den 1920er und 30 Jahren, aber auch automobile Schätzchen und Erinnerungsstücke anderer französischer, deutscher und spanischer Marken.

Das Museum ist öffentlich zugänglich. Aber Keller öffnete für den Motor Presse Club auch die Restaurationswerkstatt und die darüber liegende „Reserve“ – das nicht-öffentliche Depot, in dem all jene Fahrzeuge eingelagert sind, die im Museum gerade keinen Platz haben oder die wegen fortgeschrittenen Verfalls nicht mehr oder noch nicht wieder ausgestellt werden können. Bugattis der ersten Stunde, aber auch ein längst vergessener Silberpfeil aus der Nachkriegszeit. Allein schon der Rundgang durch die Reserve verdiente das Prädikat „Einmalig“. Ein spezielles Erlebnis waren dann auch noch einige gemeinsame Runden mit den eigenen Old­timern durch das Autodrom, den kleinen Fahrparcours hinter dem Museum. Was will man mehr?

Der Abend brachte dann noch einen Festschmaus im Sterne-Restaurant, ein Feuerwerk zum französischen Nationalfeiertag und ein spannendes Finale im MPC-, Elsass- und Automobilquiz, das Andreas Heine gegen Hardy Sommer knapp für sich entschied. Den Pannenpreis gibt der Vorjahressieger Eberhard Wühle an Lars Döhmann weiter: Dessen Auto kollabierte schon auf der Anreise, sodass er die unglaublichen Tage im Elsass komplett verpasste. Dumm gelaufen.

Von Franz W. Rother,
Fotos: H.-Rüdiger Etzold

 

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