Großer Aufwand für kleine Schäden: Der MPC Lackworkshop bei BASF Coatings in Münster/Westfalen mit Farbtheorie, Farbhistorie, Farbmischung und Farberneuerung
„Es ist ganz einfach, den richtigen Ton zu finden“
Weiß ist die Farbe der Unschuld. Weiß ist die Farbe der Hoffnung. Weiß ist die Farbe des Lichts. Physikalisch ist Weiß die Summe aller Farben. Aber weiß ist nicht gleich weiß: In der RAL-Farbpalette findet man sieben verschiedene Weißtöne. Sie reichen von Perlweiß und Cremeweiß über Grauweiß, Signalweiß und Reinweiß bis hin zu Verkehrsweiß und Papyrusweiß. Alles schön und gut. Aber in welchem Weiß ist nun der Porsche Targa aus den Siebzigerjahren lackiert? Ist es Alabaster oder Alpinweiß, Arktis- oder Chiffonweiß, Polar- oder Gletscherweiß, Grandprix-Weiß oder Perlglanzweiß?
Porsche hat seine Autos im Laufe seiner Geschichte in 25 unterschiedliche Weißtönen lackiert. Allein vom Farbton GrandPrix-Weiß kamen zwischen 1973 und 1996 zwei verschiedene Varianten zum Einsatz. Die eine trägt den Farbcode 908, die andere die Bezeichnung 92 R, die eine ist lösemittelhaltig, die andere wasserbasiert. Die eine Komposition ist leicht bläulich, die andere hat einen leichten Grünstich.
Welche Formel aber steckt hinter der Lackierung des Targa? Die Geburtsurkunde von Porsche hilft in dem Fall auch nicht weiter. Denn Ende der Achtzigerjahres des vergangenen Jahrhunderts hatte sich der Vorbesitzer am Original-Farbton Hellgelb (Porsche-Code 6210) satt gesehen und das Auto im Zuge einer Komplettrestaurierung seiner Frau zuliebe in einem zeitlosen Weiß neu lackiert.
Mark Glover hält sich jedoch nicht lange bei Farbtheorie und Farbhistorie auf – dafür weist die Lackierung des weißen Targa unter dem gleißenden Licht, das Dutzende LED-Röhren auf den Oldtimer werfen, infolge einiger Nachlackierungen inzwischen zu viele Nuancen auf. Der Abgleich mit dem Farbfächer liefert erste Hinweise. Aber erst der Einsatz des mobilen Farbtonmessgeräts bringt den Lackspezialisten auf die richtige Spur – rund um die Stelle, an dem die Tür irgendwann in der Vergangenheit einmal auf einen harten Gegenstand traf, überwiegt der Farbton Grandprix-Weiß. Glover misst vorsichtshalber noch an einigen anderen Stellen rund um die Tür, dann transferiert er die Messdaten in einen Computer, um per Software im historischen Farbtonarchiv von Glasurit nach der perfekten Mischformel zu suchen. „So ist es ganz einfach, immer den richtigen Ton zu finden“, sagt Glover mit breitem Grinsen.
Bereits zum zweiten Mal war der Westkreis des Motor Presse Clubs von Jürgen Book zum MPC Lackworkshop ins Trainingscenter von BASF Coatings nach Münster/Westfalen eingeladen – zur Besichtigung des historischen Farbarchivs, aber auch um unter Anleitung von Profis Kleinstschäden am Lack von Old- und Youngtimern zu reparieren. Andreas Partz hatte einen historischen smart fortwo mitgebracht, Dieter Ellinghaus einen Porsche 924, Bernd Ebener seinen Ford Fiesta, Paul Schinhofen einen Lancia Lybra und der Autor, nun ja, seinen 43 Jahre alten Targa.
Einen ganzen Tag lang wurde zusammen mit den Fachleuten von Glasurit gefachsimpelt, vor allem aber kräftig an den Fahrzeugen gearbeitet, mit Poliermaschine und Farbsprühpistole. Jürgen Book gab in den Kaffeepausen Einblicke in die Firmengeschichte und die Historie des Glasurit-Farbtonarchivs, das sich heute für die Fachbetriebe, die sich auf die Restaurierung von Young- und Oldtimern spezialisieren, als Schatzkiste erweist. Denn die Ansprüche an die Lackierer werden immer höher. Längst, so führte MPC-Mitglied Jürgen Book aus, reicht es nicht mehr, ein altes Auto im richtigen Farbton zu lackieren – der neue Lack muss sich nach der Ausbesserung kleiner Stellen wieder perfekt ins Gesamtbild einfügen. Sprich: Die Reparatur darf nicht erkennbar sein, um den Wert des Fahrzeugs nicht zu mindern. Die Spezialisten von Glasurit haben dafür Techniken entwickelt, die den neuen Lack zwar nicht alt, aber immerhin zeitgenössisch erscheinen lassen.
So erwiesen sich Glover und seine Kollegen bei dem Workshop als hochengagierte Perfektionisten, die sich mit der bloßen Ausbesserungen kleiner Lackschäden nicht zufrieden gaben. In einem Fall wurde die von allerlei kleinen Steinschlägen übersäte Motorhaube gleich komplett neu lackiert, in anderen Fällen – wenn schon, denn schon – der Lack bis aufs Blech abgetragen und mit der frisch angerührten Farbe originalgetreu wie perfekt komplett neu aufgebaut.
Der Vorbesitzer des Targa hatte sich einst damit begnügt, die fingernagelgroße Schramme am Türpfosten mit einem kleinen Pinsel und einem Farbstift aus dem Porsche-Zentrum zu übertünchen. Entsprechend grob und oberflächlich war die Arbeit ausgefallen – sie genügte seinen Ansprüchen. Die Ansprüche der Glasurit-Mitarbeiter sind allerdings andere. "No way", lautete die Antwort des Briten auf den Vorschlag des Fahrzeugbesitzers, die Stelle aus Zeit- wie Kostengründen kurz anzuschleifen und mit einer kleinen Airbrush-Pistole auszubessern. Mobile Lackdoktoren und Amateure mögen so arbeiten – die Lackprofis in Münster auf jeden Fall nicht. Also wird auch hier mit der Schleifmaschine der Lack im Umkreis der Schadensstelle bis aufs Blech abgetragen und dann in mehreren Schichten neu aufgebaut. Die Formel für die Farbmischung hatte der Computer mit Hilfe der Messwerte in Sekundenschnelle ausgeworfen. Das Mischen selbst – mit elektronischer Waage und Messzylinder – war dagegen für den Autor Nervensache: Ein paar Tröpfchen Blau, sorry: A532, oder Grau (A927) zu viel und aus Grandprix-Weiß wäre möglicherweise Gletscherblau geworden. Nicht auszumalen.
Wer es einmal selbst versuchen will: Jürgen Book hat angeboten, den Lackworkshop in Münster zu einem festen Termin im Programm des MPC zu machen. Mitglieder aus allen sechs Regionalkreises sind dazu ebenfalls herzlich willkommen. Demnächst mehr dazu.
Franz W. Rother