Der MPC trauert um Hans Wilhelm Gäb
Am Palmsonntag, den 13. April 2025 ist Hans Wilhelm Gäb verstorben, knapp zwei Wochen nach seinem 89. Geburtstag. Vielen bleibt er in Erinnerung als früherer Tischtennisnationalspieler, brillanter Journalist, erfolgreicher Automobilmanager, engagierter Sportfunktionär und dankbarer Lebertransplantierter.
Jahrelang hatte Gäb willensstark, unbeugsam und erfolgreich heftige medizinische Herausforderungen gemeistert. Er schien unbesiegbar. Immerhin stolze 31 Jahre lebte er nach einer Lebertransplantation, nachdem er selbst jahrelang das Leid auf der Warteliste kennengelernt hatte. Seine damaligen Professoren Peter Neuhaus und Wolf Bechstein an der Berliner Charité erfuhren später in kleiner Runde vom Patienten Gäb neben tiefer Dankbarkeit auch mal einen Ulk: Sie seien die einzigen, die wirklich wüssten, wie es in ihm ausschaue.
Für den MPC war die berufliche Entwicklung von Hans Wilhelm Gäb auch deshalb interessant und spannend, weil er sie mit hohem Anspruch auf beiden Seiten des Schreibtischs verband. Denn er wusste stets, wovon er sprach.
Nach journalistischer Arbeit für diverse deutsche Tageszeitungen gründete Gäb 1968 in Köln die Auto Zeitung und war deren erster Chefredakteur. Von 1973 bis 1981 arbeitete er – zunächst als Pressesprecher, später als Vorstandsmitglied für die Ford-Werke AG. 1982 holte ihn der legendäre Opel-Chef Bob Stempel in gleicher Funktion nach Rüsselsheim und 1986 wechselte Gäb als Vice President zur neu gegründeten General Motors Europe AG nach Zürich. Von 1987 bis 1998 war Hans Wilhelm Gäb Mitglied des Aufsichtsrats der Adam Opel AG, in den Jahren 1997 und 1998 auch Vorsitzender dieses Gremiums. Ende 1998 trat er als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Adam Opel AG aus Protest gegen den geschäftlichen Kurs des Mutterkonzerns GM zurück.
Wenn in diesen Jahren bei einem seiner Mitarbeiter das Telefon klingelte, meldete sich am anderen Ende oft „Onkel Hans“. Das war irgendwie stimmig. Denn landläufig zeichnet sich ja ein guter Onkel vor allem durch Mitgefühl, Verständnis, Humor, Geduld, Hilfsbereitschaft und Verantwortung aus. Er ist ein Vorbild, ein Vertrauter und eine Stütze. Ein guter Onkel fördert auch den Zusammenhalt und die Verbundenheit innerhalb der Familie.
Wo bleibt denn da das Leistungsprinzip, mag man einwenden. „Onkel Hans“ schenkte, wie die meisten Onkels das wohl tun, stets einen gewissen Vertrauensvorschuss. Das änderte aber nichts an seiner glasklaren Agenda, die es zu klären und umzusetzen galt. Denn Hans hatte stets einen klaren Kurs und wusste, was zu tun war. Er war kein Diktator, aber ein klarer Anführer. Er konnte geduldig zuhören, stark motivieren, mitreißen und damit letztlich allerhöchste Loyalität für sich gewinnen. Seine Mannschaften waren inspiriert, gaben ihr Bestes. Er konnte sich auf sie verlassen. Und er wertschätzte ihre Anstrengungen.
Genauso klare Kante zeigte er aber auch gegenüber Ignoranz und Dreistigkeit, die sich zunehmend im eigenen Mutterkonzern gezeigt haben soll. Treffender als die F.A.Z. kann man das nicht beschreiben: „Opel lag ihm mindestens so am Herzen wie der Sport, in beiden Bereichen hat er sich mit Herz und Anstand, aber auch mit harten Bandagen, wenn er es für nötig hielt, engagiert. Den Niedergang von Opel unter dem Diktat von General Motors (GM) vermochte er nicht zu verhindern, obgleich er niemand war, der nach außen unbedacht schlechte Worte gewählt hätte.“
Nach innen sprach Gäb jedoch Klartext. Und manche der damaligen hochdekorierten amerikanischen Chefs mögen heute noch wie unter Peitschenhieben leiden, wenn sie den Namen „Hähns“ hören und sich an die vielen Papiere erinnern, die sie zwar sprachlich, aber leider inhaltlich nicht verstanden oder nicht verstehen wollten.
Aber was wäre ein Blick auf Hans Wilhelm Gäb ohne die lockere, entspannte Art, in der er beispielsweise auch sich und seine Managerkollegen auf die Schippe nehmen konnte. Im März 2001 schrieb er in einem Beitrag für die dpa zum Thema „Journalisten und Manager – eine Hassliebe“.
„Um ihrer unausgesprochenen, aber entsetzlichen Angst vor der Presse Herr zu werden, treffen beispielsweise die Manager vor einer Pressekonferenz geradezu kultisch anmutende Vorkehrungen. Sie entsteigen in dunklen Maßanzügen dunklen Limousinen, finden seelischen Halt durch eine erhöhte Position am Podium, stabilisieren ihr Selbstvertrauen durch großformatige Namensschilder am Vorstandstisch und lassen sich durch eigens montierte Scheinwerfer vorteilhaft beleuchten. Schmerzlich wird ihnen bewusst, dass sie ja Journalisten zu Gast haben – bekanntlich die Stellvertreter Gottes auf Erden.“
Und seinen Humor hat Hans Wilhelm Gäb bis zum Schluss nicht verloren: noch Anfang April, auf gemeinsamen Fahrten nach Heidelberg, zitierte er mit allergrößtem Vergnügen und höchster Präzision Verse des Frankfurter Schriftstellers und Satirikers Robert Gernhardt.
Adieu, Hans!
von Horst Borghs, 18.04.2025
Foto: SICHTSTARK fotodesign