Avenarius Dr. HorstZum Tod von Dr. Horst Avenarius

Von Richard Gaul

Vor gut 50 Jahren übernahm ­Eberhard von Kuenheim den Vorstandsvorsitz von BMW in München. Das Unternehmen war damals ein kleinerer deutscher Hersteller von Hochleistungs-Automobilen und Motorrädern. Von Kuenheim erkannte schnell, dass BMW expandieren musste, bei den Produkten, bei der Produktion und im Vertrieb: er wollte aus BMW eine internationale Marke machen. Von Kuenheim erkannte auch, dass dazu ein völlig neuer Ansatz in der Unternehmenskommunikation notwendig sein würde: Für seine Pläne reichte es nicht mehr, gute Produkte zu bauen; das Unternehmen sollte, wie sich von Kuenheim heute erinnert, „sichtbarer werden, auch auf anderen Feldern als den angestammten Bühnen der Automobilindustrie“.

Für die Aufgabe der Neuausrichtung der Kommunikation suchte von Kuenheim die geeignete Persönlichkeit – und er fand sie 1973 in Dr. Horst Avenarius, damals Kommunikationschef bei der Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF). Avenarius war, ebenso wie von Kuenheim, kein geborener Automann. Der promovierte Historiker hatte einen weiten ­Horizont, einen anderen Blick auf die Wirtschaft. Er war der Richtige, um Kuenheims Vision eines verantwortlichen Unternehmens mit weltweiter Bedeutung in die Öffentlichkeit zu tragen.

Der Wechsel nach München war für Avenarius damals keine Selbstverständlichkeit: man erinnere sich daran, dass die Welt der Ökonomie im Herbst 1973 ins Stocken geriet, als ihr im Zuge eines Nahost-Krieges im Sinn des Wortes der Treibstoff ausging: die ölproduzierenden Staaten des Nahen Ostens lieferten nicht mehr in den Westen, die Ölkrise – von Kuenheim nennt sie heute eine „Öl-Preis-Krise“ – führte zu wirtschaftlichen Verwerfungen; um Benzin und Diesel zu sparen, wurden gar Sonntagsfahrverbote verhängt.

In dieser Phase sollte Avenarius bei BMW die Kommunikation übernehmen, bei einem Autobauer, dem damals viele Auguren ein schnelles Ende prophezeiten. ­Avenarius hat sich diesen Herausforderungen gestellt:

  • Er musste dafür Sorge tragen, dass die Öffentlichkeiten – Mitarbeiter, Politiker, Meinungsführer und letztlich auch die Kunden – an die Zukunft des Unternehmens glaubten;
  • Er musste diese Botschaften buchstäblich in die Welt tragen, denn von Kuenheim wollte BMW von den USA bis Japan positioniert wissen;
  • Er musste das Unternehmen aus der Nische des renommierten aber doch kleinen Auto- und Motorrad-Herstellers führen und zu einem weltweit geachteten Global Player machen;
  • Und nicht zuletzt musste er dies auch im Unternehmen selbst erklären und durchsetzen.

Eberhard von Kuenheim war überzeugt, dass Avenarius für diese Aufgaben genau der richtige war: „er war ein sehr gebildeter Mann, mit dem ich all diese Themen intensiv diskutieren konnte“, betont der heute 92jährige. Damals in den frühen 70er Jahren bedeutete „Kommunikation“ in den meisten Unternehmen noch fast ausschließlich „Pressearbeit“; die „Kommunikatoren“ waren an den Entscheidungen im Unternehmen nur selten beteiligt, sie hatten die Beschlüsse der Unternehmensleitung lediglich zu verbreiten – wie Herolde.

Von Kuenheim wollte seinen Kommunikationschef deshalb auch intern stärker positionieren: er sollte Teil der strategischen Unternehmensführung werden „ein integrales Mitglied der Lebensgemeinschaft BMW“ (so von Kuenheim heute). Deshalb wurde Avenarius rasch in das Topmanagement in München aufgenommen – und hatte bei allen Entscheidungen des Unternehmens ein starkes Wort mitzureden.

Avenarius nutzte die Freiheiten, die von Kuenheim ihm gab und fand völlig neue Wege der Positionierung des Unternehmens: er betonte die soziale und gesellschaftliche Verantwortung; er suchte und fand die Nähe zur Kultur; BMW engagierte sich in der Bildenden Kunst und in der neuen Musik – und das immer über die nationalen Grenzen hinaus.
Avenarius führte damit auch die Entscheidungsträger des Unternehmens in neue Welten. Der neue Kommunikationschef des Unternehmens schuf als einer der ersten das, was wir heute allenthalben „CSR – Corporate Social Responsibility“ – nennen.

Und Avenarius führte BMW an die Politik heran: er eröffnete zunächst ein BMW Büro in der damaligen Bundeshaupt Bonn, und später auch in Brüssel; er gründete den Europäischen Verband der Automobilhersteller (ACEA) – dessen Vorsitzender von Kuenheim dann auch übernahm.
Von Kuenheim war so schon bald nicht mehr nur der Vorstandsvorsitzende eines kleinen feinen Unternehmens der Automobilindustrie – er wurde mit Avenarius Hilfe zum hoch geachteten Sprecher der ganzen Branche; und Avenarius selbst war am Ende seiner Karriere bei BMW so etwas wie der Doyen der Kommunikatoren der deutschen Industrie.

Über diese Rolle wuchs Avenarius dann weiter hinaus – in seinem zweiten Leben nach der Pensionierung bei BMW im Jahr 1989: Er lehrte PR an verschieden Hochschulen, und er schrieb zwei Standardwerke zur Kommunikation. Vor allem aber kümmerte er sich um den Ruf und die Reputation der Profession – als Vize-Präsident der Deutschen Public Relations Gesellschaft schuf er den „Deutschen Rat für Public Relations“, der heute über die Ethik in der PR wacht, gleichrangig mit dem Deutschen Presserat (der die Medien kontrolliert) und dem Deutschen Werberat (der sich um die Wahrung ethischer Grundsätze in der Werbung bemüht).

Immer war Avenarius darauf bedacht, die Eigenverantwortung der Menschen zu betonen. Als Liberaler setzte er auf die Selbstverwaltung und -kontrolle der Branche und sprach sich gegen zu viel staatliche Regelungen aus.

Ethik in der Kommunikation ist heute – auch dank des jahrzehntelangen Wirkens von Dr. Horst Avenarius – unverzichtbar. Und Public Relations insgesamt ist fest verankert in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.

Horst Avenarius, der fast 40 Jahre lang Mitglied im Motor Presse Club war, ist im Frühjahr 2021 – hoch geehrt – im Alter von 90 Jahren gestorben.

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