Nachruf
MPC Ehrenmitglied Dr. Eberhard Seifert gestorben
Ein Stiller im Lande und ein Journalist der alten Schule
Eberhard Seifert war eher ein Stiller im Lande: ein Herr, der sich weder vordrängte noch kaum jemals seine Contenance verlor. Und der in seiner Arbeit als Foto- und Textjournalist hohe, ja höchste Ansprüche an sich selbst stellte.
Ältere Kolleginnen und Kollegen werden sich erinnern: Lange bevor noch die Journalistenschar eintraf, hatte er auf einer Automobilausstellung seine Kamera, eine zweiäugige Spiegelreflex, in den Hallen in Stellung gebracht, grundsätzlich auf dem Stativ, um die neuesten Autos – ob Studie, ob Serienwagen – nahezu unter Studiobedingungen in 6x6 abzulichten. Schwarzweiß natürlich, damit keine Farbe den Schattenwurf des Karosseriekörpers und seiner Details stören konnte. So entstanden Bilder von durchaus künstlerischer Qualität, die aber ebenso als realistische Beschreibung dessen taugten, was sich als Neuheiten auf den Salons präsentierte.
Seit 1951 hatte Eberhard Seifert jede europäische Automobilausstellung besucht und dokumentiert. Und er tat es bis ins hohe Alter. Daraus ergab sich geradezu zwangsläufig ein Foto- und Textarchiv, das keine Lücken kannte und das sein Schöpfer als freier Journalist bereitwillig zur Verwendung anbot. Eine seiner Spezialitäten waren Zusammenstellungen von Einzelheiten des Stylings, marken- und zeitübergreifend: Scheinwerfer etwa, Räder, Kühlerfiguren. Dahinter stand ein Wissen, das Jahrzehnte überblickte und mühelos eine stimmige Auswahl treffen konnte.
Das schöne Haus der Seiferts in Murnau, mit Blick auf die Alpenkette, war nicht nur das Heim der Familie, in dem der Unermüdliche gern Gäste – nicht zuletzt Journalistenkollegen – empfing, sondern auch Standort seines penibel geordneten Archivs. Er ließ sich von Besuchern gern nach irgendetwas fragen, zog dann ohne Zögern eine der vielen Schubladen auf und hatte das Gewünschte parat. Er hätte die Sammlung, sein Lebenswerk, gern in Hände weitergegeben, die dafür nicht nur einen angemessenen Preis gezahlt hätten, sondern auch die Arbeit daran fortzusetzen bereit gewesen wären. Dass ihm das nicht gelang und das Deutsche Museum in München dann diesen Schatz übernahm, hat ihn letztlich bekümmert. Man kann nur hoffen, dass man dort diese einmalige Dokumentation der jüngeren Automobilhistorie zu schätzen und nutzbar zu machen weiß.
Eberhard Seifert wurde 1916 in Dresden geboren. Sein sanft sächsischer Zungenschlag verriet das bis zuletzt. Nach dem Abitur absolvierte er geradezu ein Studium generale, von Germanistik bis Volkswirtschaft, und wurde zum Dr. phil. promoviert. Er überstand Krieg und Gefangenschaft, begann sein Berufsleben in einem rheinischen Verlag und wurde dann Redakteur und Chef vom Dienst bei der Deutschen Illustrierten in Stuttgart. Er heiratete 1950, zwei Töchter machten die Familie komplett. 1951 entschloss er sich, als Freelancer zu arbeiten, und das blieb er fortan – auch jene sieben Jahre in den Sechzigern, als er Geschäftsführer der Deutschen Arbeits- und Forschungsgemeinschaft Autosicherheitsgurte (DAFA) war, einer Institution, die sich erfolgreich überflüssig machte als die Gurtpflicht eingeführt und durchgesetzt war. 1955 trat er dem Motor Presse Club bei, dessen Ehrenmitglied er später wurde, seit 1967 war er Rotarier. Als Autor und Ko-Autor mehrerer Bücher wurde er über seine journalistische Tätigkeit hinaus bekannt, die Christophorus-Stiftung der deutschen Versicherungswirtschaft ehrte ihn mit drei Preisen und ihrer Goldmedaille.
Den älteren Clubfreunden im MPC wird Eberhard Seifert als untadeliger Kollege in Erinnerung bleiben, dem Berufs- und Arbeitsethos keine Fremdworte waren. Da er umfassend gebildet und interessiert war, musste er nicht befürchten, zum bloßen „Fachidioten“ abgestempelt zu werden. Im Gegenteil: Das Menschliche stand bei ihm immer im Vordergrund, Freundlichkeit, ja Herzlichkeit gehörten zu seinem Wesen. Jüngeren Kollegen half er gern mit gutem Rat, und sie erwiderten ihm das mit Respekt und Sympathie. Wenn man ihn einen Journalisten der alten Schule genannt hätte, würde er nicht widersprochen haben. Denn er hätte es als Kompliment und nicht als Makel betrachtet.
Gerold Lingnau