Auszeichnungen
„Goldene Feder des MPC“ 2014 an Dr. Gerold Lingnau
Hingabe – im Leben und im Schreiben
Mit „Vereinsmeierei“ wollte Gerold Lingnau nie in Verbindung gebracht werden. Dafür ist er in zu hohem Maße ein intelligenter Individualist, konsequenter Verfolger seiner eigenen Gedankengänge und seiner Linien im Leben und im Schreiben. Aber er glaubt an die Kraft der klaren Regeln und an die Notwendigkeit des Gebrauchs der rechten Worte zur richtigen Zeit. Lingnau kann wahnsinnig schnell schreiben.
Ich erinnere eine Situation in einem überheizten Hotelzimmer in Tokio, wo Lingnau auf der Tastatur eines winzigen Laptops mit der rasenden Geschwindgkeit eines hungrig pickenden Huhns im Hof unter einer grünlich schimmernden Neonlampe eine Zusammenfassung seiner Eindrücke von der Motor Show schrieb. Mit zwei oder vier Fingern, das ist nicht mehr erinnerlich, er schien auch nicht mehr zu atmen, vielleicht fuhr er auch seinen Herzschlag zurück. Seine Schreibextremitäten bewegten sich jedenfalls mit einer ununterbrochenen Kontinuität über das Tastenfeld und die Buchstaben wurden schneller angeschlagen, als sie auf dem kleinen Bildschirm aufleuchten konnten. Nun gut, es war ein alter Laptop.
Aber die Lichtgeschwindigkeit hatte nichts mit Flüchtigkeit zu tun. Auch im Büro, als Ressortleiter für Technik und Motor und dabei weiter tief in der Wirtschaftsredaktion der F.A.Z. basiert, ließ er Texte jeglicher Art von der Glosse und einem Leitartikel bis zu 250-zeiligen Fahrtberichten aus sich herausfließen, als habe er nur einen inneren Stöpsel dafür öffnen müssen. Das war natürlich nicht so. Li verfügt über die Kraft der völligen schreiberischen Konzentration und der kompletten Hingabe an seine Aufgabe. Er teilt sich beim Schreiben quasi mit seiner Persönlichkeit in mehrere Persönlichkeiten. Eine davon ist mit der manuellen Tätigkeit des Tippens und des Sehens und der optischen Textkontrolle beschäftigt. Eine weitere ordnet die Gedanken und die Dinge im voraus, verfolgt gleichzeitig das Zurückliegende und schärft die Sinne für die Verfolgung der Struktur des Textes. Die dritte Persönlichkeit prüft unablässig die Stimmigkeit in sich, die Angemessenheit der stilistischen Mittel und sorgt dafür, dass zur rechten Zeit nicht nur das Fortlaufen der Argumentation gesichert ist, sondern auch stilistische Besonderheiten eingestreut werden, die den Leser in seiner Aufmerksamkeit bestärken.
Für den MPC hat es sich als positiv erwiesen, dass ihn Li nie als Verein interpretierte. Er sieht ihn noch immer – und vielleicht noch stärker als je zuvor – als Club, als eine Art von freundschaftlicher Gruppe, die sich über gemeinsame Merkmale und Interessen definiert und für die er gerne zur Feder greift. Das hat Li in etlichen wunderbaren Essays, kurzen Notizen zu Einladungen und Terminen und zu mannigfaltigen Ehrungen verdienter Mitglieder bewiesen. Zum Beispiel mit seinen Gedanken zu den 65 Jahren des MPC im MPC Magazin, die nicht als datenlastige Chronik einhergingen, sondern als Anmerkungen eines Dabeigewesenen, der aber seinen Spaß am MPC über die vielen Jahre hinweg nicht verloren hat. Wenn Gerold Lingnau jetzt die Goldene Feder des MPC erhält, darf ich selbst eine kleine Anmerkung hinzufügen. Die größte Stärke seiner Feder ist jene, die auch andere, weniger strahlende Federn in einem unscheinbareren Gefieder neben sich selbst duldet. Das hat mir sehr geholfen.
Wolfgang Peters
Die Goldene Feder des MPC ist auch eine spitze Feder: Preisträger Dr. Gerold Lingnau und Laudator und vorjähriger Preisträger Gernot Röthig