Was die Region Saale-Unstrut den MPC Wanderern zu bieten hatte

Uta, Rotkäppchen und das Himmelreich

50. MPC Wandertage 2015

Von Gerold Lingnau

Bad Kösen steht im deutschen Ortsverzeichnis zwischen Bad Königshofen und Bad Köstritz, inmitten einer Unzahl weiterer Gemeinden, die sich „Bad“ nennen dürfen. Aber wo liegt es? Das weiß das engagierte Häuflein der MPC Wanderer spätestens seit seinem Treffen 2015, übrigens dem fünfzigsten seiner Art. Bad Kösen liegt bei Naumburg, und Naumburg liegt in Sachsen-Anhalt, kurz vor der Grenze nach Thüringen. Weintrinker horchen zudem auf, wenn hier der Name „Saale-Unstrut“ fällt: Denn dieses Anbaugebiet, das von den beiden Flüssen geprägt ist, gehört zu den zwar kleinen, inzwischen aber auch feinen Weinregionen in Deutschland. All das versprach interessante Wandertage, als man sich in Bad Kösen im Hotel „Mutiger Ritter“ versammelte, dem ersten Haus am Platz mit stattlichen Ausmaßen und einer tierischen Manufaktur in seinen Mauern, von der noch die Rede sein soll.

Mutig sein musste keiner der aus allen Himmelsrichtungen angereisten Wanderer. Schon gar nicht wegen Widrigkeiten des Wetters: Im Gegenteil, Organisator Horst-Dieter Grosse hatte entweder unverschämtes Glück oder beste Beziehungen zur zuständigen Instanz – die Sonne schien unverdrossen und ließ sich die drei Tage lang auch nicht davon abbringen.

So startete die Gruppe am ersten Tag in bester Laune, folgte der Saale und ihren Weinbergen flussabwärts, kehrte in Roßbach bei einem Winzer – wo sonst? – ein, besuchte dann den Wingert des Leipziger Malers und Bildhauers Max Klinger mit dessen Grabstätte und weitem Blick in die selbsternannte „Toskana des Ostens“, setzte mit einer Seilfähre über die Saale und erreichte, als die Füße schon recht müde wurden, endlich den Naumburger Bahnhof zur Rückfahrt ins Hotel. Wach zu bleiben war schon deshalb angezeigt, weil das Abendessen mit einer Weinprobe kombiniert war. Eine eloquente Sommelière vermittelte detailliertes Wissen zur Anbauregion und weit darüber hinaus; die erwünschte Bettschwere war gesichert.

Der Freitag galt, nach Grosse-Manier, der Kultur. Und die lag nahe: Naumburg war schon zu DDR-Zeiten zumindest streckenweise ein Vorzeigeort und hat sich inzwischen wunderbar herausgeputzt. Hier zeigte sich auch gleich, dass das Wanderglück nicht aufs Wetter beschränkt war. Denn nicht nur am Vortag, als die Gruppe von einer kundigen Nebenerwerbswinzerin geführt worden war, sondern auch in Naumburg und danach konnte sie sich über kenntnisreiche und humorvolle Begleiter freuen. So wandelte man gemeinsam auf den Spuren von Friedrich Nietzsche, der in seiner Jugend und in seinen letzten Lebensjahren Naumburger war, durchstreifte die mauerumgebene Altstadt mit ihrer bunten Häuservielfalt, staunte in Dom über den doppelten Chor und die zwei Lettner, machte der weltberühmten Uta von Naumburg seine Aufwartung und kehrte dann rechtschaffen hungrig am Marktplatz im Ratskeller ein.

Kräftiges Essen war angeraten, denn der Nachmittag sollte anstrengend werden. Es ging, wiederum per Bus, ins nahe Freyburg zur Sektkellerei Rotkäppchen, die seit 1856 besteht und es im vergangenen Vierteljahrhundert vom DDR-Unikum zum Marktführer in Deutschland gebracht hat. Hier waren nicht nur gewaltige historische Hallen und Keller sowie ein für 160.000 Flaschen Sekt ausreichendes Riesenfass zu bewundern. Es wartete auch die Probe von sechserlei prickelnden Produkten des Hauses, vorgestellt von einem Kellermeister, der aber auch wirklich alles wusste, was mit Sekt und seiner Herstellung zu tun hat. Irgendwie zwischen beschwingt und beschwipst erreichten die Wanderer denn doch noch ihren Bus und rollten dem „Mutigen Ritter“ entgegen.

Keine ebenen Wege mehr am Samstag. Nein, jetzt ging es ins Gebirge. Durch den Bad Kösener Kurpark, vorbei an einem historischen Gestänge, das, von einem Wasserrad bewegt, früher die Solepumpen antrieb, und im Schatten des mehr als 300 Meter langen Gradierwerks wanderte die Gruppe zur Rudelsburg hoch über der Saale. Fröhliches Wochenendtreiben herrschte an diesem Kult-Ort der studentischen Burschenschaften. Gut essen konnte man auch dort, wenn man reserviert hatte, und lernen, dass hier die Lokalhymne „An der Saale hellem Strande“ entstanden war. Steil hinunter zum Fluss führte die nächste Etappe, die Burg Saaleck passierend, und jenseits noch steiler hinauf mit einem lohnenden Ziel: dem Bergrestaurant „Himmelreich“ mit seinen Torten und XXL-Windbeuteln. Ihnen wurde mit Begeisterung zugesprochen, zur Stärkung fürs letzte Stück Wegs zum Hotel zurück.

Dort wartete noch eine Sehenswürdigkeit. Fast vierzig Jahre lang, bis 1950, wirkte in Bad Kösen die „Puppenmutter“ Käthe Kruse, bis sie mit ihrem Betrieb in den Westen umzog. Danach musste man sich am alten Ort auf die Anfertigung von Stofftieren verlegen. Und sie findet noch heute in der Kösener Spielzeug Manufaktur statt, wo geschickte Hände aus bis zu hundert Einzelteilen und mehr jene Lieblinge aus Plüsch zusammennähen, ohne die kein Kind einschlafen kann. Kaum eine Tierart, die hier nicht im Sortiment wäre.

Ganz den Traditionen der MPC Wandertage war der letzte Abend gewidmet. Rolf Heggen, der Vorsitzende des Clubs, hatte sich am Vortag mit seiner Frau Heike zur Wandergruppe gesellt und zum Jubiläum eine Überraschung mitgebracht. Dass die Wandertage jetzt zum fünfzigsten Mal stattfanden, war ja schon erstaunlich genug. Noch ungewöhnlicher, dass in dieser langen Zeit nur vier MPC Mitglieder sie organisiert haben. Drei von ihnen waren in Bad Kösen anwesend und wurden von Heggen mit dem neu erdachten „Goldenen Schuh des MPC“ geehrt: Uwe Gabler, Gerold Lingnau und der amtierende Horst-Dieter Grosse. Des verstorbenen Gründers und langjährigen Veranstalters Adolf  E. von Keller konnten die Wanderer nur noch still gedenken, mit großer Sympathie.

Zu vergeben war freilich auch, zum 40. Mal, die „Goldene Sohle des MPC“, dieser Wanderpreis im doppelten Sinn. Er wurde Anke Breitsprecher anvertraut, die schon seit Jahren mit Freude und Ausdauer dabei ist, wenn die MPC Wanderer ihre Stiefel schnüren. Die Überraschung über diese Wahl war so groß wie der Beifall dafür. Uta von Naumburg, so gestand Horst-Dieter Grosse bescheiden, habe ihm den Tipp gegeben. Und wo es im nächsten Jahr hingehen soll, hat er auch schon verraten: Harz, Hahnenklee-Bockswiese (vom 29. September bis 3. Oktober). Die Vorfreude beginnt also jetzt gleich.